Interview mit Verena Becker zum Thema “ayurvedisch reisen”

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Im heutigen Interview erfahrt Ihr von Ayurveda Coach Verena Becker, wie Ihr auch auf Reisen nach den Grundprinzipien des Ayurveda leben könnt. Lest hier, worauf Ihr bei der Ernährung im Urlaub achten solltet und was bei typischen Reisebeschwerden wie Übelkeit, Insektenstichen und Co. unternommen werden kann.

Liebe Verena, herzlichen Dank, dass Du Dir heute Zeit zur Beantwortung unserer Fragen genommen hast! Bitte stelle Dich am Anfang einmal für unsere Leser vor.

Vielen Dank auch Euch, dass ich heute hier sein darf. Mein Name ist Verena und ich bin Ayurveda-Coach, Yogalehrerin und Doktorandin in der Medizinanthropologie. Ich lebe und forsche in Sri Lanka über die traditionelle Praxis des Ayurveda, die in Sri Lanka im Gegensatz zu Indien noch sehr stark ausgeprägt ist. Meine Vision ist es, so vielen Menschen wie möglich die traditionelle ayurvedische Heilkunst zugänglich zu machen.

Wir möchten heute mit Dir über das Thema „ayurvedisch reisen“ sprechen. Zunächst eine grundsätzliche Frage: Laut Ayurveda ist Reisen erst einmal ein Stressfaktor. Es erhöht das Vata Dosha und bringt einiges aus dem Gleichgewicht. Warum ist das so und was kann jeder Reisende dagegen unternehmen? 

Das stimmt, Reisen erhöht Vata, da das Vata-Dosha im Ayurveda das Prinzip der Bewegung ist. Besonders bei An- und Abreise oder wenn wir oft den Ort wechseln mit Auto, Zug oder Flugzeug und uns somit schnell durch Raum und Zeit bewegen, sollten wir also ein Auge darauf haben, dass sich Vata nicht zu sehr erhöht. Das funktioniert am besten, indem wir versuchen die kalten, leichten, trockenen und beweglichen Eigenschaften, die Vata kennzeichnet, auszugleichen. Alles was erdet, befeuchtet und warm hält, ist jetzt angesagt.

Reiseübelkeit, andauerndes Sitzen & Co. Hast Du Ayurveda-Tipps für längere Flugreisen?

Lange Flugreisen lassen sich mit ein wenig Vorbereitung angenehm gestalten. Um gegen klimatisierte Flugzeuge und Flughäfen gewappnet zu sein, nehme ich immer einen großen Schal mit, mit dem man Hals, Kopf und Ohren bei Bedarf warm halten kann. Außerdem ein paar dicke Socken für das Flugzeug. Viele haben bei langen Flugreisen mit Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung zu kämpfen. Bei Übelkeit ist eines der besten Hausmittel Ingwer, z.B. als Ingwertee. Bei Durchfall und Verstopfung können Flohsamenschalen helfen. Einfach 1 TL in Wasser auflösen und zweimal täglich trinken. Wer zu Verstopfung neigt, kann zusätzlich eine Hand voll Rosinen einpacken, ein paar Stunden einweichen und das Wasser trinken und die Rosinen essen. Auch Triphala wirkt balancierend und kann als Tablette oder am besten als Pulver mit warmem Wasser eingenommen werden. Für trockene Schleimhäute habe ich immer ein Döschen Ghee dabei. Und zu guter Letzt empfehle ich jedem eine Thermoskanne einzupacken. Die lässt sich im Flugzeug normalerweise problemlos mit heißem Wasser auffüllen. Heißes Wasser oder Tee zwischendurch hält warm und sorgt für einen guten Stoffwechsel und Verdauung, die durch das viele Sitzen im Flugzeug schnell aus der Balance geraten können.

Perfekt für Reiseübelkeit: Das indische Gewürz Triphala

Was ist Deine Empfehlung für gesunde Ayurveda Snacks auf Reisen? Was lässt sich bspw. gut im Voraus vorbereiten oder in jedem Urlaubsland problemlos erwerben?

Das ist eine gute Frage, denn der klassische Ayurveda empfiehlt, nicht zu Snacken. Ayurvedisch wäre es, während An- und Abreise auf warme und befeuchtende Nahrung zu achten, die leicht verdaulich ist und nur dann zu essen, wenn wir Hunger haben – also nicht unbedingt jeden Flugzeugsnack mitnehmen, der angeboten wird, sondern nur dann, wenn das Verdauungsfeuer Agni brennt. Am Aufenthaltsort selbst ist es ratsam, sich dem Klima und der Region anzupassen und lokal und saisonal zu essen. Es kann sein, dass sich unsere Bedürfnisse ganz schnell ändern. Wenn wir im deutschen Winter ins Flugzeug steigen und uns zuvor Kürbissuppen und Porridge gut taten, können das im tropischen Klima knackige, leichte und kühlende Speisen sein. Mein persönlicher Go-To-Snack auf Reisen sind Datteln und Mandeln, aber auch da sollte jeder schauen, was gut tut und individuell nährt.

Was gehört in den Koffer, um auch am Urlaubsort bestmöglich nach Ayurveda leben zu können?

Das tolle am Ayurveda ist, dass man auch ohne viele Hilfsmittel ayurvedisch leben kann. Ich selbst habe meistens einen Wasserkocher, Thermoskanne, ein paar Teebeutel und eine Wärmflasche dabei. Meistens packe ich auch standardmäßig ein paar ayurvedische Kräuter ein wie Ashwagandha, Triphala oder Haritaki. Ashwagandha ist ein Nerventonikum und sorgt für einen guten Schlaf und Triphala oder Haritaki (ein Bestandteil von Triphala) unterstützen das Vata-Verdauungssystem. Auch für eine Gewürzmischung ist immer Platz. Empfehlen kann ich Agni Plus von Amla Natur oder eine Dosha-Gewürzmischung, mit der sich jede Speise ganz schnell ayurvedisieren lässt.

Welche ayurvedischen Routinen und Übungen lassen sich ohne Probleme am Urlaubsort weiter praktizieren?

Wer zu Hause eine ayurvedische Morgenroutine hat, kann diese auf Reisen natürlich auch praktizieren. Zungenschaben und Ölziehen sind z.B. immer möglich. Hierfür einfach Zungenschaber und ein Fläschchen Sesamöl einpacken oder ein regionales Öl vor Ort erwerben. Auch die innere Dusche sollte morgens im Urlaub nicht fehlen, also je nach Verdauungsfeuer mind. einen halben Liter warmes Wasser direkt nach dem Aufstehen trinken.

Verena empfiehlt, auch im Urlaub eine morgendliche Routine mit innerer Dusche einzuhalten

Wie sieht es mit Frühstück im Hotel aus? Was darf ich wählen und von was sollte ich eher die Finger lassen?

Es kommt drauf an, was das Frühstücksbuffet zu bieten hat. Bei meinem letzten Aufenthalt in Südindien gab es traditionelle südindische Speisen aber auch Porridge oder eine Fruchtplatte. Ratsam ist immer zu schauen, wie stark das Verdauungsfeuer ist und dann zu entscheiden, welche Speisen angemessen sind. Wenn es im Hotel nur die klassisch deutsche Auswahl mit Brötchen oder Brot, Aufschnitt, Kaffee und Co. gibt, dann kann man sich auch mal eine Porridge-Mischung einpacken, die nur quellen muss und die man sich mit heißem Wasser aufgießen lässt.

Porridge ist das perfekte Frühstück, um leicht und unbeschwert in den Tag zu starten.

Worauf sollte ich beim Abendessen im Hotel achten?

Abends ist das Verdauungsfeuer nicht so stark wie um die Mittagszeit und deswegen ist es angebracht, abends eher leicht verdaulich zu essen und die Hauptmahlzeit mittags einzunehmen. Wenn das nicht geht, sollte man nach dem Abendessen frühestens nach 2-3 Stunden schlafen gehen.

Abgesehen von der Auswahl der Lebensmittel, was sind andere Grundprinzipien in der ayurvedischen Ernährung, auf die ich auch gut auf Reisen achten kann?

Regional, saisonal und in Anpassung an Dosha-Dominanz und Agni essen – und dann kann die ideale Ernährung an jedem Ort der Welt völlig anders aussehen. Ayurvedisch leben heißt nicht, dass man sich im Urlaub nur von warmer Suppe ernähren muss, zum Glück! Schließlich ist Genuss genauso Teil des Lebens und Ayurveda heißt schließlich übersetzt das Wissen vom Leben. Da ist es auch erlaubt, abends mal zu Pizza und Rotwein zu greifen – ohne schlechtes Gewissen. Und das Beste: Der Rotwein unterstützt in Maßen genossen sogar noch die Verdauung ein wenig.

Pizza und Rotwein sind im Urlaub nicht verboten. 😉

Und zuletzt: Ich habe mich im Urlaubsort verletzt, Sonnenbrand oder einen Mückenstich. Was schafft Abhilfe und gehört für Dich somit in ein ayurvedisches First-Aid-Kit?

Ich habe immer Neem-Öl und Citronella-Öl dabei. Zusammen ergibt es eine wohlriechende Mischung und eignet sich gut zur Mückenabwehr. Bei Mückenstichen hilft Neemöl auch sehr gut.  Zur Kühlung bei Sonnenbrand ist Aloe Vera Gel empfehlenswert. Rosenwasser habe ich in heißen Klimata oft in einem Sprühfläschchen dabei, da es sehr erfrischend ist und sofort für Kühlung, Frischegefühl und einen wachen Geist sorgt. Ingwer und Kurkuma sind auch immer gut und wahre Alleskönner. Den Einsatz von Ingwer kennt Ihr jetzt ja und Kurkuma wirkt z.B. desinfizierend bei kleinen Verletzungen oder Entzündungen.

Liebe Verena, vielen Dank für das sehr interessante Interview!

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