Hexenkraft und Magie: Sechs deutsche Legenden zur Walpurgisnacht

Bei der Walpurgisnacht darf das Lagerfeuer nicht fehlen. ©tripz.de

In der Nacht vom 30. April auf den 01. Mai treffen sich der Legende nach alljährlich Hexen aus aller Welt zur Walpurgisnacht. In Deutschland findet das Zusammentreffen traditionell auf dem Brocken im Harz, auch Blocksberg genannt, statt. Doch es gibt noch viele weitere Orte in der Bundesrepublik mit sagenhaften Hexengeschichten. Wir haben zur traditionellen Hexenfeierei sechs deutsche Mythen ausfindig gemacht, die als schaurig-schöne Lagerfeuergeschichten in der Walpurgisnacht dienen.

Der Hexenwald in Uetersen (Schleswig-Holstein)

Im südlichen Schleswig-Holstein liegt in der Kleinstadt Uetersen der „Hexenwald“. Der Name stammt von einer alten Sage ab. Im Mittelalter soll hier eine Hexe gelebt haben – die Waldlichtung nutzte sie als Feuerstelle oder Hexentanzplatz. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ging das Gerücht um, dass immer zur Mittagsstunde ein unheimliches Pfeifen und Zischen in der Nähe der Lichtung zu hören war. Als Auslöser für diese merkwürdigen Geräusche sei die Nutzung des Hexenkessels verantwortlich. Bis in die 1960er Jahre mieden Kinder, die in der Nähe wohnten, das Waldstück. Heutzutage ist diese Legende fast in Vergessenheit geraten und auf der ehemaligen Hexen-Lichtung befindet sich mittlerweile ein Lagerplatz eines Waldkindergartens.

Die Hexe im Teufelssee (Berlin/Brandenburg)

Im nördlichen Teil des Grunewalds in Berlin befindet sich der Teufelssee. Einer Sage nach lebte ganz in der Nähe, im brandenburgischen Dorf Zermützel in der Ruppiner Schweiz, eine Hexe namens Frau Klöckner aus Binenwalde. Oft wurde sie dabei beobachtet, wie sie einsame Angler auf dem Teufelssee tötete und blutrot aus dem Wasser stieg. Um weitere Angler vor den Gräueltaten zu bewahren, versuchten die Anwohner, die Hexe zu erschießen. Doch die Kugeln prallten an ihr ab und trafen manchmal den Schützen selbst. Nur einmal wurde sie mit einem simplen Trick gefasst: Man lockte sie in eine Flasche, in der ein Milchbrot platziert war. Die hungrige Hexe schrumpfte sich klein, um die Leckerei zu vernaschen. Als sie in der Flasche saß, wurde diese mit einem Korken fest verschlossen. Doch ein paar Augenblicke später löste sich der Deckel wie von Zauberhand und die böse Magierin flüchtete in den umliegenden Wald. Angeblich treibt sie bis heute ihr Unwesen in der Gegend rund um die brandenburgische Stadt Rheinsberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.

Hexerei mit Happy End (Niedersachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen)

Eine weitere Sage spielte sich in einem namentlich unbekannten Harzer Dorf ab: Ein Hochzeitsanwärter lebte mit seiner Braut und seiner Schwiegermutter, beides Hexen, zusammen. Am Abend der Walpurgisnacht zogen sich die zwei Frauen auf den Dachboden zurück, tranken eine Flüssigkeit aus einer verstecken Flasche und verschwanden spurlos. Der Mann, der alles beobachtet hatte, nippte ebenfalls an dem Zaubertrank und fand sich plötzlich auf dem Brocken und inmitten der Festlichkeiten zur Walpurgisnacht wieder. Die ganze Nacht feierten und tanzten die Hexen mit dem Teufel. Als sich der Morgen näherte, gab dieser jeder Hexe ein Glas, gefüllt mit der magischen Flüssigkeit, zu trinken. Die Versammlung löste sich daraufhin in Luft auf. Da der Bräutigam ohne Zaubertrank zurückblieb, musste er zu Fuß nach Hause laufen. Als er dort ankam, waren die beiden Frauen ziemlich sauer und verhexten den Bräutigam in einen Esel. So irrte er eine Zeit lang durch das Dorf, bis die Braut den magischen Wutausbruch bereute. Doch der Mann musste auf seine menschliche Gestalt warten. Nur auf ihn gekipptes Taufwasser konnte die Verwandlung rückgängig machen. Glücklicherweise fand bereits am nächsten Tag eine Taufe statt. Da der Bräutigam in Eselsgestalt partout nicht von der Kirchentür weichen wollte, goss ihm einer der Kirchendiener das heilige Wasser über den Rücken. Er war wieder ein Mensch und heiratete trotz allem seine Braut. Von nun an lebten sie glücklich und zufrieden.

Die verfluchte Schönheit der Lorelei (Rheinland-Pfalz)

Der Felsen Lorelei oder Loreley an der Rheinstraße bei St. Goarshausen am Rhein, hat seinen Namen einer der bekanntesten deutschen Literaturfiguren zu verdanken. Um die schöne Jungfer mit blonden langen Haaren ranken sich mehrere Mythen. Zurückzuführen sind diese auf die Erzählung des Dichters Clemens Brentano aus dem Jahr 1800: Die hübsche Lorelei hatte auf die Männerwelt eine so starke Anziehungskraft, dass sie viele als Hexe oder Zauberin betitelten. Unzählige Burschen nahmen sich ihretwegen das Leben, denn Lorelei hatte kein Interesse an den Liebesbekundungen. Der einzige Mann, den sie wollte, zeigte ihr wiederum die kalte Schulter. Da sich die liebestrunkenen Todesfälle häuften, wurde Lorelei einem Bischof vorgestellt. Doch auch er widerstand der jungen Frau nicht. Statt eines Todesurteiles wurde sie in ein Kloster verbannt. Auf dem Weg dorthin kam sie an dem besagten Felsen vorbei und kletterte nach oben. Lorelei blickte ein letztes Mal über den Rhein und stürzte sich vor lauter Liebeskummer in den Fluss. Andere Geschichten beschreiben die junge Frau als mystische Sirene. Hier lockte sie mit ihrer Schönheit einst Seefahrer so nah an das Ufer heran, dass die Schiffe den berühmt-berüchtigten Felsen rammten und mitsamt der Besatzung untergingen. Heute ist der Loreley-Felsen mit Ausblick über den Rhein und die Statue der Jungfrau ein echter Touri-Hotspot.

Die Waldhexen aus Völklingen (Saarland)

Rund 15 Autofahrtminuten westlich von Saarbrücken liegt Völklingen. In der Stadt an der Saar erzählt man sich folgende Geschichte: Im „Wasters Wäldchen“, das vor Völklingen liegt, sollen um 1860 mehrere Hexen gelebt haben. Sie machten sich einen Spaß daraus, junge Hirten zu erschrecken oder deren Schafe zu verhexen. Die Hirten wiederum beschimpften die Hexen, denn nach der Zauberei gaben die Tiere oft tagelang keine Milch. Die Eltern der leichtsinnigen Junghirten warnten vor weiteren Konfrontationen. Als sich einer der Hirten wenige Wochen später einen erneuten Schlagabtausch lieferte, wurden die Hexen fuchsteufelswild. Als Folge gaben die Schafe, nun auch noch vom Teufel besessen, keinen Tropfen Milch mehr, wurden nicht trächtig und mussten schließlich geschlachtet werden. Der Hirtenjunge erhielt eine Trachtprügel und der Vater ärgerte sich bis zuletzt über die jugendliche Dummheit.

Die Sage der schlafenden Hexe (Bayern)

In Berchtesgaden, an der deutsch-österreichischen Grenze, liegt das Lattengebirge. Im östlichen Teil erheben sich die drei Rotofentürme, die an die Silhouette einer auf dem Rücken liegenden Frau erinnern. Vor mehr als 1.000 Jahren soll sich hier eine Hexe in die Einsamkeit der Gebirgswelt geflüchtet haben. Sie konnte Menschen im Allgemeinen und Christen sowie Missionare im Besonderen nicht ausstehen. Gläubige, die den Berg über den Hallthurm-Pass heraufkamen, erschien sie als freundliche Wirtin – doch die servierten Getränke enthielten tödliches Gift. Viele Pilger verloren so ihr Leben. Manchmal rollte die Hexe auch Felsen über den steilen Abhang, unter dem der Wanderweg entlangführte. Ihr Ziel war es, die Ausbreitung des Christentums im Berchtesgadener Land zu verhindern. Als sich der Gottesmann Martinus auf dem Pilgerweg befand, und die Hexe einen schweren Felsen auf ihn stieß, konnte er gerade noch rechtzeitig zur Seite springen. Das laute Poltern warnte ihn vor der Gefahr. Ein erneuter Versuch scheiterte, denn Martinus hielt ein großes Kreuz in die Luft. Ein Grollen und Donnern ertönte, die Hexe wurde zu Boden geschleudert und verwandelte sich auf der Stelle zu Stein. Wer heutzutage die Straße von Bad Reichenhall über Hallthurm nach Berchtesgaden nutzt, kann die Silhouette einer horizontal liegenden Hexe gut erkennen.